Posts tagged: Jochen Klepper

Die Tannen freuen sich

By , 24/12/2013 13:14

Wie letztes Jahr war ich auch in diesem End-November daran beteiligt, die grosse Tanne in meinem alten Wohnquartier in einem nachbarschaftlichen Effort zu schmücken. Kalt und nass war es dieses Mal. Aber ich finde, das Schlottern im Friesennerz hat sich wieder gelohnt:

Leuchtfeuer

(Bild: M. Studer)

Damit wünsche ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, einen frohen Heiligabend und ebenso frohe Weihnachten! [1]

Bei mir stehen zwei Familienfeiern an – und danach ein paar ruhige Stunden zum Nachdenken: über das ausgehende Jahr und über das neue. Und konkret auch: über das Thema meiner Masterarbeit.

[1] Beim Titel dieses Beitrags handelt es sich um ein Zitat aus einem von mehreren Weihnachtsliedern Jochen Kleppers: “Weihnachtslied im Kriege”. Und das Lied wiederum zitiert aus Jes 14,7f., wo gemäss der Zürcher Übersetzung allerdings nicht von Tannen, sondern von Wacholderbäumen die Rede ist (bei Luther: Zypressen). Aber – hey…

Hält euch kein Dunkel mehr

By , 10/12/2012 05:40

Advent – Weihnachten steht vor der Tür, hinter der Dunkelheit erwartet uns ein, das Licht. Kaum irgendwo ist dieses Bild schöner und tröstlicher gemalt als in diesen acht Zeilen:

Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern.
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.

(Aus: “Weihnachtslied”, Text: Jochen Klepper, Erstveröffentlichung in dem Gedichtband “Kyrie. Geistliche Lieder”, 1938) [1]

Der genialische Autor, Dichter, Schriftsteller Jochen Klepper, sensibler Drechsler obiger Verse, geboren 1903, Sohn eines evangelischen Pfarrers, verheiratet mit der um einige Jahre älteren Johanna Stein: Mutter zweier Töchter aus erster Ehe – Jüdin; deswegen ab der Machtübernahme der Nationalsozialisten immer mehr in der Ausübung seines eigentlichen Berufs als Journalist eingeschränkt und schliesslich notgedrungen als “freier” Schriftsteller tätig, bisweilen fiebrig-schnell arbeitend, verwerfend, neu beginnend; noch im Jahre 1940 zum Wehrdienst eingerückt, um seine Ehefrau und deren jüngere Tochter Renate (die ältere, Brigitte, lebte im sicheren Ausland) vor der drohenden Deportation zu schützen, doch schon bald wieder entlassen, da er nicht in die von den Behörden erwartete Scheidung einwilligt – in der Furcht vor einer Zwangsscheidung und dem damit vorgezeichnet scheinenden Weg beider Frauen ins Konzentrationslager nimmt er sich in und mit seiner kleinen Familie in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1942 das Leben.

Heute vor siebzig Jahren.

Den “hellen Morgenstern”, den er im oben zitierten, fast genau fünf Jahre zuvor verfassten “Weihnachtslied” besingt, scheint Klepper bei aller irdischen Verzweiflung bis zum Ende vor und über sich leuchten gesehen zu haben. Sein letzter Tagebucheintrag endet mit den Worten: “Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.”

Persönlicher Hinweis:
Ich selbst bin nur per Zufall und ausserhalb von Studium und Kirchgemeindearbeit auf Jochen Klepper und sein Werk gestossen. Wäre dieser runde Jahrestag, liebe mitlesende Pfarrerinnen und Pfarrer, nicht vielleicht ein guter Anlass, demnächst eines seiner Lied-Gedichte ins Zentrum eines Gottesdienstes zu stellen? Muss ja nicht zwingend noch im Advent sein – Klepper hat zu fast allen Feiertagen und Anlässen geschrieben…

Literaturempfehlung:
a. Gesangbuch der evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz [2]
b. Klepper, Jochen: Unter dem Schatten deiner Flügel. Aus den Tagebüchern der Jahre 1932-1942, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1956 (mehr hier).
c. Baum, Markus: Jochen Klepper, Schwarzenfeld: Neufeld Verlag, 2011 (mehr hier).

[1] Der Titel dieses Blog-Eintrags entstammt demselben Gedicht – der ebenso schönen (und wunderbar unverträumt startenden) vierten Strophe, die da lautet: “Noch manche Nacht wird fallen / auf Menschenleid und -schuld. / Doch wandert nun mit allen / der Stern der Gotteshuld. / Beglänzt von seinem Lichte, / hält euch kein Dunkel mehr. / Von Gottes Angesichte / kam euch die Rettung her.”
[2] Nicht weniger als elf Gedichte Kleppers haben Eingang in das Reformierte Kirchengesangbuch gefunden: “Tauflied” (“Gott Vater, du hast deinen Namen”, 179), “Weihnachtslied” (“Die Nacht ist vorgedrungen”, 372), “Weihnachts-Kyrie” (“Du Kind, zu dieser heilgen Zeit”, 415), “Neujahrslied” (“Der du die Zeit in Händen hat”, 554), “Morgenlied” (“Er weckt mich alle Morgen”, 574), “Mittagslied” (“Der Tag ist seiner Höhe nah”, 584), “Abendlied” (“Ich liege, Herr, in deiner Hut”, 622), “Geburtstagslied” (“Gott wohnt in einem Licht”, 696), “Hochzeitslied” (“Freuet euch im Herren allewege”, 738), “Silvesterlied” (“Ja, ich will euch tragen”, 746) und “Trostlied am Totensonntag” (“Nun sich das Herz von allem löste”, 777).

Mal etwas Anderes

By , 31/07/2012 08:59

Als ich kürzlich ferienhalber anderthalb Wochen im Ausland weilte, wollte ich mich von all der Theologie und all dem Lesen erholen und habe hauptsächlich – Theologisches und Theologienahes gelesen. [1]

In den letzten zwei Jahren hatte sich nämlich ein Haufen Bücher angesammelt, die seit ihrer Anschaffung der geistigen Verarbeitung harrten (“wenn ich mal viel Zeit habe!”), und so kam schliesslich ein ganzer Koffer voller Literatur mit. Wenn schon, denn schon!

Jeweils morgens erkor ich dann in freier Wahl zur Tageslektüre, was mich gerade am meisten ansprach. Hier die Stationen meines Lesemarathons:

a. Bodnár, Alice: Der ewige Kollege. Reportagen aus der Nähe des Todes, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2009. Interviews mit Menschen, die von Berufes wegen ständig vom Tod umgeben sind: einem Bestatter, einer Ärztin und einer Psychologin aus der Onkologie, drei Kriminalpolizisten, einer Hospizleiterin, einem Rechtsmediziner und dem Leiter eines Altersheims. Welches sind ihre Motivationen und Erfahrungen im (eigenen wie dem fremden) Umgang mit dem Tod? Interessant – und gut gemacht.
b. Rückert, Sabine: Unrecht im Namen des Volkes. Ein Justizirrtum und seine Folgen, Hamburg: Hoffmann & Campe Verlag, 2007. Präzise Rekonstruktion einer Geschichte, die mit falschen Vergewaltigungs-Anschuldigungen begann und mit Schuldsprüchen für die beiden Angeklagten endete – bevor deren Unschuld im Wiederaufnahmeverfahren nachgewiesen wurde. Die sauber recherchierte Berichterstattung der ZEIT-Gerichtsreporterin Rückert (die später auch im Kachelmann-Prozess durch Unaufgeregtheit auffiel) trug dazu bei, den Justizirrtum, der eher ein Justizskandal ist, aufzudecken; das Buch basiert auf diesen Recherchen. Spannender als ein Krimi – aber wahr.
c. Matussek, Matthias: Das katholische Abenteuer. Eine Provokation, München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2011. Lose Zusammenstellung von Essays, die eine Lanze für den Katholizismus brechen wollen – mal mehr, mal weniger gelungen. Die “Provokation”, die der Untertitel verspricht, ist mir nicht aufgefallen. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu wenig antikatholisch eingestellt, um schon die Apologie des Katholizismus als Provokation zu empfinden.
d. Schorlemmer, Andreas: Manchmal hilft nur Schweigen. Meine Arbeit als Polizeipastor, Berlin: Ullstein, 2007. Der Autor berichtet über ausgewählte Erlebnisse seiner Tätigkeit als Polizeiseelsorger, leider über weite Strecken fahrig und banal. Mehr noch: Nehme ich die Schilderungen zur Grundlage, so möchte ich hiermit festgehalten haben, dass ich eine Todesnachricht, wenns geht, bitte nie von ihm übermittelt bekommen möchte. Manchmal hilft, wie der Buchtitel besagt, wirklich nur Schweigen – oder zumindest ein gestrenger Lektor. (Dass es viel, viel besser geht, zeigt Buch i).
e. Baum, Markus: Jochen Klepper, Schwarzenfeld: Neufeld Verlag, 2011. Eine der wenigen problemlos erhältlichen Biographien über den Autor, Dichter, Schriftsteller Jochen Klepper, den ich, wie bekannt, sehr mag. Ein bestens lesbares Buch, das den Künstler und Menschen Klepper kurz vor dessen 70. Todestag (er verstarb am 11.12.1942) auf eindrückliche Art näher bringt. Ich fände es schön, wenn seiner im Dezember auch in der Schweiz gedacht würde – es sind ja sicher nicht jetzt schon alle Advents-Predigten geschrieben…
f. Rosentreter, Sophie: Komm her, wo soll ich hin? Warum alte und demenzkranke Menschen in die Mitte unserer Gesellschaft gehören, Frankfurt a.M.: Westend, 2012. Die Begleitung ihrer an Alzheimer erkrankten Grossmutter veranlasste die Autorin, sich mit dem Thema Demenz auseinanderzusetzen. Das Buch ist eine Mischung aus Familienerinnerungen, gesellschaftlicher Bestandsaufnahme und konkreten, mit Fachleuten diskutierten Vorschlägen für die Betreuung zu Hause wie für die institutionelle Pflegepraxis – dies alles, zumindest aus meiner (Laien-)Sicht, wohldosiert und niemals platt. Beeindruckend. (Die Autorin ist auch online präsent.)
g. Tietze, Ulrich (Hg.): Nur die Bösen? Seelsorge im Strafvollzug, Hannover: Lutherisches Verlagshaus, 2011. Verschiedene Gefängnisseelsorger schildern ihr Tätigkeitsfeld. Wie bei Buch d: belanglos und banal, lausiges Lektorat. Keine Kaufempfehlung – und so suche ich weiter nach brauchbarer Literatur über diesen wichtigen Bereich christlicher und kirchlicher Seelsorge.
h. Pachmann, Herbert: Nur der ganze Gott kann helfen, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008. Plädoyer für einen “ganzheitlichen”, vielschichtigen Gottesbegriff – und gegen die eindimensionale (aber kuschelig-warme) Vorstellung vom “lieben” Marzipan-Gott. Eine Herausforderung für die eigene Theologie, aber das (Glaubens-)Leben schreckt vor Prüfungen halt nicht zurück. Gutes Buch.
i. Grützner, Kurt/Gröger, Wolfgang/Kiehn, Claudia/Schiewek, Werner (Hg.): Handbuch Polizeiseelsorge, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2006. Sammlung von Aufsätzen zu verschiedenen Arbeitsbereichen christlicher Polizeiseelsorge, von Praktikern geschrieben, die zu den entsprechenden Tätigkeitfeldern wirklich etwas zu sagen haben, auch die sozialen, rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen benennen, die wissenschaftliche Theologie nicht ausklammern und zur Selbstreflexion fähig sind. Grossartig.
k. Schnepper, Arndt Elmar: Frei predigen. Ohne Manuskript auf der Kanzel, Witten: SCM R. Brockhaus, 2010. Streitschrift pro (manuskript-)freie Predigt…
l. Deeg, Alexander/Meyer-Blanck, Michael/Stäblein, Christian: Präsent predigen. Eine Streitschrift wider die Ideologisierung der “freien” Kanzelrede, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2011. …und die professorale Gegenschrift. Ein interessanter Diskurs mit beidseits berechtigten Argumenten – wenn nur darauf verzichtet würde, den Anhängern der jeweils anderen Auffassung in erster Linie deren negativen Auswüchse vorzuhalten: Weder sind die Manuskript-Aficionados allesamt emotionslose, sozialgestörte Ableser noch die freien Prediger vorbereitungsfaule Menschenverführer und Wahrheitenverkäufer. Immerhin: interessante Praxisanregungen von beiden “Parteien”.
m. de Saint-Exupéry, Antoine: Nachtflug. Mein erster Roman seit langem – vor zig Jahren habe ich diese Geschichte aus der Pionierzeit des, eben, Nachtflugs zum ersten Mal gelesen. Wenig Handlung, aber viel Spannung, die von der wort- und bildgewaltigen Sprache Saint-Exupérys lebt (kongenial ins Deutsche übertragen auf der Basis einer Übersetzung von Hans Reisiger). Ein Gedicht!
n. Uhl, Volker (Hg.): Die erste Leiche vergisst man nicht. Polizisten erzählen, München: Piper, 2005. Kurze Geschichten aus dem Polizei-Alltag, welche den persönlichen Umgang mit dem Tod (und der Todesgefahr) derjenigen aufzeigen, die an vorderster Front zugunsten unserer Sicherheit Kopf, Herz und Hand hinhalten. Eine äusserst heterogene Mischung – teils sehr gut geschrieben, häufig rührend gestelzt, bisweilen auch einfach schlecht. Ist für mich aber in Ordnung, weil das Gesamtbild zählt und die Motivation der sogenannten Polizei-Poeten, in deren Umfeld das Buch entstand, meine Sympathie hat.
o. Uhl, Volker (Hg.): Jeden Tag den Tod vor Augen. Polizisten erzählen, München: Piper, 2006. Dasselbe in (Polizei-)Grün. Mit dem Unterschied dass hierfür nicht Dietz Werner Steck das Vorwort schrieb, sondern Maria Furtwängler.
p. Führer, Christian: Und wir sind dabei gewesen. Die Revolution, die aus der Kirche kam, Berlin: Ullstein, 2009. Autobiographie des ehemaligen Pfarrers der Leipziger Nikolaikirche, der durch seine Friedensgebete – und vieles mehr – für immer mit der friedlichen Revolution in der DDR in Verbindung gebracht werden wird. Die Lebensgeschichte beschränkt sich allerdings (und zum Glück) nicht auf diese zeitgeschichtlich besonders ereignisvolle und wichtige Phase. Insbesondere die Schilderungen des florierenden gemeindlichen Lebens in der ostdeutschen Provinz unter erschwerten (staatlichen) Bedingungen sind äusserst interessant zu lesen – und die Ausführungen dazu lehrreich.
q. Schabowski, Günter/Sieren, Frank: Wir haben fast alles falsch gemacht. Die letzten Tage der DDR, Berlin: Econ, 2009. Interview mit dem ehemaligen “Regierungssprecher” der DDR, der seinen Platz in der Geschichte hat als der Mann, der aus Versehen (verfrüht) die Mauer öffnete. Ein Geschichtsunterricht der Extraklasse, wobei Schabowski mit dem Sozialismus und seiner eigenen Rolle in der letzten deutschen Diktatur überaus hart ins Gericht geht (Frage von rechtlicher vs. moralischer Schuld!). Eindrücklich.
r. Nagel, Eckhard/Göring-Eckardt, Katrin: Aber die Liebe… Christsein aus ganzem Herzen, Freiburg: Kreuz Verlag, 2010. Der Katholik Nagel und die Lutheranerin Göring-Eckardt waren Mitglieder des Präsidiums des 2. Oekumenischen Kirchentags (2010), ihr Buch basiert auf Diskussionen, die in ebenjenem Gremium in Bezug auf das Kirchentags-Motto geführt wurden (gewählt wurde schliesslich “Damit ihr Hoffnung habt”). Diesen Kontext merkt man dem Werk an: Wohl werden, was durchaus interessant ist, unterschiedliche Aspekte der Liebe behandelt – dies allerdings in gefühlerischen Formulierungen, die ich in Zukunft als Kirchentagssprache identifizieren werde. Und meiden.
s. Struck, Peter: So läuft das. Politik mit Ecken und Kanten, Berlin: Propyläen, 2010. Rückblick des ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden und -Bundesministers auf seine Zeit in der Politik – fast im Plauderton, mit zahlreichen Anekdoten, die ein interessantes Bild vom Parlamentsbetrieb und der Regierungsarbeit zeichnen.

Nach zehn Tagen, umgerechnet: knapp 4000 Seiten, waren die Ferien zu Ende – zumindest lesetechnisch zum richtigen Zeitpunkt, denn der Proviant an Lektüre war bis dahin grossteils aufgebraucht. [2]

Mal schauen, ob ich demnächst noch ein Lesewochenende einlegen kann – bevor es im September mit dem Praxissemester losgeht. Jedenfalls bin ich, früher ein begeisterter Freizeitleser, jetzt wieder angefixt.

Das mit der Themenvielfalt wird aber wahrscheinlich nichts mehr.

[1] Die während meiner Abwesenheit eingestellten Beiträge hatte ich noch vor der Abfahrt verfasst und konnte ich dank WiFi rhythmusgetreu ins Netz stellen. Muss ja nicht jeder merken, dass die Wohnung leer steht…
[2] Nicht mehr gereicht hat es lediglich für die neue Bonhoeffer- und eine vielversprechende Paul-Schneider-Biographie sowie ein paar wenige Bücher, die mich, täglich vor die Wahl gestellt, jeweils ein bisschen weniger reizten als die Konkurrenz.

Unsterblich blamiert – zu Ostern

By , 08/04/2012 07:30

In meinem Startsemester als Theologiestudent nahm ich an einer Dogmatik-Übung teil, in deren Rahmen ich, ein wenigwissender, aber immerhin wissensdurstiger Anfänger, in einer Schnellbleiche erste Eindrücke von den wichtigsten Glaubenslehrern der vergangenen tausend Jahre gewinnen durfte. (Ich präzisiere: es handelte sich um eine Ultraschnellbleiche.)

Da das Ende des Semesters mehr oder weniger mit Weihnachten zusammenfiel, lasen wir am letzten Termin jener Veranstaltung keine abstrakte dogmatische Abhandlung mehr – sondern eine Weihnachtspredigt eines Dogmatikers. Die Wahl fiel auf Eberhard Jüngel. Und weil bei mir einen Stein im Brett hat, wer verständlich verkündigt und Jochen Klepper zitiert, hinterliess diese Predigt einen bleibenden positiven Eindruck.

Kurz darauf besorgte ich mir, gewissermassen auf Vorrat, die siebenbändige Zusammenstellung ausgewählter Jüngel-Predigten (mehr dazu hier). Zugegeben: Komplett gelesen habe ich die Bände noch nicht – aber ich nehme sie immer wieder einmal zur Hand, wenn der Anlass es gebietet. Und heute ist, habe ich entschieden, solch ein Tag.

Was also hat der begnadete Dogmatiker und ebenso begnadete Prediger Jüngel zu Ostern zu sagen?

[… D]ie Ostergeschichte sollte in der Tat jedermann, sollte die ganze Welt zum Lachen reizen. Man kann sich mit ihr gar nicht ernsthaft, gar nicht sachgemäss befassen, ohne angesteckt zu werden von dem befreienden Lachen, zu dem Gott diese von Todeskrämpfen bedrohte Welt am Ostermorgen provoziert hat. […] Ja, selbst die Verneinung, selbst die Ablehnung der Osterbotschaft geht nicht ohne Gelächter ab. Die Situation ist nun einmal grotesk. Sie reizt zum Lachen: die einen, weil es für sie einfach lächerlich ist, dass ein Toter leben soll; die anderen, weil ihr Glaube begriffen hat, dass der Tod wenigstens für dieses eine Mal unsterblich blamiert worden ist. Und einmal unsterblich blamiert heisst für immer blamiert.

Doch merkwürdig: Das Gelächter des Unglaubens über die Ostergeschichte ist weithin zu hören. Es kichert in allen möglichen und unmöglichen Ecken der Welt. Doch vom Ostergelächter der Christen hört man wenig oder nichts. Statt dessen hört man viel Gezänk und Nörgelei rund um die frohe Nachricht von der Auferstehung Jesu Christi herum. Anstatt sich des lebendigen Herrn zu freuen, möchte man lieber beweisen, dass er wirklich nicht tot ist, möchte man das Groteske der Situation aus der Welt schaffen und gar zu gern einen Tatsachenbeweis dafür liefern, dass Jesu Leib am Ostermorgen tatsächlich nicht im Grabe lag. Man interessiert sich weit mehr für das leere Grab als für den auferstandenen Herrn und den auferweckenden Gott.

(Aus: Jüngel, Eberhard: Predigten [Band 2: Geistesgegenwart], Radius-Verlag, Stuttgart 2003, 89f. – die Osterpredigt, aus der das Zitat stammt, findet sich auf S. 88-94)

In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein frohes Osterfest! Vergessen wir das Lachen nicht, besonders heute – wir haben allen Grund dazu.

Übrigens: Zu diesem Thema findet sich im aktuellen “reformiert” ein lesenswertes Interview mit Prof. Pierre Bühler (online hier abrufbar). Entgegen aller Vorurteile sind es offenbar ausgerechnet die Dogmatiker, die das Lachen kultivieren.

Jochen Klepper irrte

By , 13/08/2011 13:02

‎”Tagebuch führe ich, weil ich fasziniert bin von der Handlung, die ein anderer ‘mit meinem Blute’ schreibt. Dass ich mit künftigen Biographen kokettiere, glaube ich nicht. Die werden mein Tagebuch nicht bekommen, so gross wird mein Ruhm nach menschlichem Ermessen nicht werden. Ich bin dreissig Jahre alt. Wie wenig Geschriebenes liegt von mir vor, wie wenig für mich Bezeichnendes werde ich jetzt schreiben können.” (Jochen Klepper, 6.7.1933)

Der Verfasser dieser Zeilen sollte trotz berechtigter Zweifel nicht recht behalten: Heute, gut 78 Jahre nach dem zitierten Eintrag, lese ich (ganz freiwillig!) sein Tagebuch, wobei mir noch 900 Seiten bevorstehen bis zum traurigen Abschiedseintrag vom 10.12.1942 – und zahlreiche Gedichte hat er noch hinterlassen können. Einige davon finden sich in jedem Kirchengesangbuch; im evangelisch-reformierten Gesangbuch beispielsweise stammen ganze elf Texte von ihm. Besonders empfohlen seien die Keppler-Vertonungen durch Siegfried Fietz.

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