Wie versprochen, hier nun mein erster “Tagebuch”-Eintrag:
(Erschienen in: “Reformierte Presse”, Nr. 48, 29.11.2013, S. 9; Autor: Reto Studer – Online-Textfassung hier)
Hinweis aus der Schreibstube: Die Geschichte stimmt fast eins-zu-zwö… äh: -zu-eins. Bei der Nennung des Liedes erlaubte ich mir jedoch eine künstlerische Freiheit: Nachdem mir die verantwortliche Redaktorin mitgeteilt hatte, dass das Lied “Ich steh in meines Herren Hand”, das mir in der Realität “erschienen” war und das ich deshalb im ersten Entwurf nannte, wohl zu wenig bekannt und der Liedtitel deshalb auch nicht sofort als Liedtitel identifizierbar sei, beschloss ich, diesen durch “Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand” zu ersetzen. Diese Liedzeile ist nicht nur einiges bekannter (RG 698), sondern erfüllt ihren Zweck im Kolumnentext, im Gegensatz zum erstgenannten Titel, darüberhinaus selbst dann, wenn man das entsprechende Lied nicht kennt. Ich finde: zwei gute Gründe für die Änderung!
Und: Die doppeldeutige Überschrift dieses Blog-Beitrags ist ein Zitat aus dem im Kolumnentext genannten Lied.
Manchmal ist der Gedankenweg, der vom Profanen zum Philosophischen führt, ein kurzer, die Verbindung des einen mit dem anderen eine plötzliche:
Wir tigern an den Stäben hin und her, aber niemand bemerkt uns. Hinter den Stäben liegt ein öder Fabrikplatz, begrenzt durch nackte Fabrikwände. Keine Bewegung – und von Walo weit und breit keine Spur. Nach ziemlich langen drei viertel Stunden, die wir am Tor wartend wie Bettler verbringen, steht er unversehens neben uns.
“Walo, wo hast denn du dich rumgetrieben die ganze Zeit?”
“Ich habe mir einen Sonnenbrand geholt.”
“Hm, wo denn?”
“Im Gras.”
Weil Walo bereits seit morgens um halb sechs unterwegs ist, musste er seine gesetzlich verordnete Zwangspause absolvieren. So hat sich die verschmähte Tankfüllung in Genua über einen Abend, eine Nacht und einen langen Morgen gerächt. Doch jetzt ist unser Vorsprung auf null geschmolzen. So vergeht unsere Zeit. Ob schnell, ob langsam, schliesslich stehen wir alle vor dem genau gleichen Tor.
(Aus: Markus Maeder, Vom Herzchirurgen zum Fernfahrer – Der Spurwechsel des Dr. med. Markus Studer. Ein Bordbuch, Wörterseh Verlag, Gockhausen 2008, S. 56)
Die Erfahrungen der vergangenen Monate sind mir eine Lehre fürs Leben: Ich werde die zwei Semester, die das Theologiestudium noch dauert, gelassener angehen – und manches Andere auch.
Ankommen tue ich sowieso.
Annehmen, was einen ereilt, und daraus das Bestmögliche herausholen – eine grosse Kunst, die einzuüben und zu vervollkommnen eine, wenn nicht sogar die Lebensaufgabe ist. “When life gives you lemons, make some lemonade”, heisst es so schön.
Das Blumengeschäft meines Vertrauens ist schon weit fortgeschritten in dieser Disziplin. Dem bitterkalten Wintertag begegnet es gelassen, pragmatisch und unverfroren:
Ich, weder Vogel des Himmels noch Lilie auf dem Felde (Mt 6), kann viel lernen von den Eisblumenmädchen.