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Grösse des Kleingedruckten

By , 18/05/2014 16:44

Begonnen hat alles mit einer Musikkassette, die ein guter Freund und ich bei ihm zu Hause entdeckten. Seine Eltern mussten sie Jahre zuvor zusammengestellt haben, und nun, eines schönen Nachmittags im Sommer oder Herbst 1999, war sie uns also in die jugendlichen Hände gefallen, einige Monate vor unserer beider Matur. An die anderen Lieder erinnere ich mich heute nicht mehr (lediglich noch an dies: Simon & Garfunkel und Cat Stevens waren mit Sicherheit vertreten), aber das ist auch egal: Besonders angetan hatte es mir, hatte es uns ein druckvolles, eingängiges Dreieinhalb-Minuten-Opus mit der wiederkehrenden Zeile “I gave it up for music and the free electric band”, das uns wieder und wieder zurückspulen liess. Gar keine Frage: Dieses Lied musste ich “haben”! Eine Onlinesuche daheim, vermutlich noch mittels Altavista, ergab: Es handelte sich dabei um “The Free Electric Band”, 1973 von einem gewissen Albert Hammond veröffentlicht. Also: Umgehend eine Best-Of des Musikers gekauft – und diese ebenso sofort geliebt. [1] Doch dabei schien es bleiben zu müssen, denn viel mehr gaben weder die hiesigen CD-Geschäfte noch der Online-Handel her. Ausserdem: Informationen über Hammond? Weitgehend Fehlanzeige.

Aber was nicht ist… Und so ermittelte ich über allerlei Umwege die Kontaktdaten von Hammonds Business Manager in den USA und fragte bei diesem an, ob sein Mandant einverstanden wäre, wenn ich die Domain alberthammond.net reservieren würde, zwecks Gestaltung einer Website über den vom Internet zu Unrecht Vergessenen. Und bekam, zu meiner Überraschung (und umso grösseren Freude), grünes Licht – um wenig später sogar in persönlichem Kontakt mit Hammond selbst zu stehen: Regelmässig, über Monate hinweg mindestens einmal pro Woche, sprachen wir uns telefonisch, damit ich die Inhalte der Website, die nun offiziellen Status hatte, ausbauen konnte. [2] So entstanden nach und nach eine Lieder-Datenbank, die Möglichkeit des Austausches zwischen Albert und Fans – und eine erste Online-Biographie über den in Gibraltar Aufgewachsenen, der zunächst nach London und später, als Kalifornien und der US-amerikanische Musikmarkt lockten, nach Los Angeles übergesiedelt war. Sein grösster Hit als Sänger, “It Never Rains in Southern California”, erzählt just von letzterem Wechsel (und ist nur teilweise fiktiv).

Grössere Bekanntheit erlangte Albert aber nicht als Sänger, sondern, gewissermassen indirekt und inkognito ([3]), durch die zahllosen von ihm geschriebenen Lieder, die durch die Aufnahmen Anderer zu Hits wurden ([4]): “The Air That I Breathe” (The Hollies [5]), “When I Need You” (Leo Sayer), “One Moment in Time” (Whitney Houston), “When You Tell Me That You Love Me” (Diana Ross), “I Don’t Wanna Lose You” (Tina Turner) u.v.a. Weitere Musikerinnen und Musiker, die Lieder von ihm aufnahmen (und die Aufnahmen teilweise auch von ihm produzieren liessen), sind: Johnny Cash, Joe Cocker, Neil Diamond, Céline Dion, Duffy, Cass Elliot, Aretha Franklin, Art Garfunkel, Julio Iglesias, Elton John, Tom Jones, Johnny Mathis, Willie Nelson, Roy Orbison und Rod Stewart.

Das wiedererwachte Interesse an seiner Person – und möglicherweise auch der Erfolg, den sein Sohn, Albert Hammond jr., als Gitarrist der Strokes zu jener Zeit genoss – veranlasste Albert schliesslich dazu, nach mehrjähriger Pause ein Album mit neuen eigenen Liedern einzuspielen. Aus dem “Nur”-Songwriter wurde wieder ein Singer-Songwriter. Dem im Frühling 2005 veröffentlichten Album, “Revolution Of The Heart”, war allerdings wenig Erfolg beschieden, vermutlich zurecht. Für mich als Website-Betreiber und immer mehr auch “Insider” war es jedoch ein grosses Privileg, die Entstehung der Lieder und der Aufnahmen von den ersten Demos bis zur fertig abgemischten CD nachzuvollziehen und auch die Promo-Auftritte in London (wo ich in jenen Wochen sowieso wohnte) zu erleben. Und viele Kontakte zu knüpfen.

Tausende von Stunden hatte ich in dieses Hobby investiert (wenn ich nur an die Bewirtschaftung der Lieder-Datenbank denke!), als ich mich 2008, neun Jahre nach dem Start, schweren Herzens entschied, die Domain an Alberts Management zu übertragen. Die Nebentätigkeit war mir schlicht zu aufwendig geworden, und ich hatte ja einen Beruf… Es bleiben von jener Zeit: wunderbare Erinnerungen an Gespräche, Auftritte und Treffen, weiterhin ein loser Kontakt zu Albert – und die Aufnahmen aller unserer Telefongespräche. Also: wiederum Kassetten.

Heute feiert Albert Hammond seinen Siebzigsten. Mögen ihm die besten Tage noch bevorstehen! [6]

[1] Es handelt sich dabei um: “Greatest Hits (Albert Hammond)”, 1996 von Sony veröffentlicht. Die CD ist u.a. bei Amazon erhältlich. Ich kann sie nur empfehlen, da sie zum grossen Teil Aufnahmen enthält, die auf Hammonds ersten drei Soloalben (“It Never Rains In Southern California”, “The Free Electric Band”, “Albert Hammond”) veröffentlicht wurden – und diese stellen m.E. die Highlights seiner Sängerkarriere dar.
[2] Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass ich lediglich für die Inhalte und das einfachere Programmieren zuständig war und mein lieber Bruder die grösseren Programmieraufgaben übernahm.
[3] Wer – ausser mir – liest in CD-Booklets schon das Kleingedruckte?
[4] In der Regel arbeitet Hammond mit Co-Writers, wobei er selbst zum grossen Teil die Musik komponiert.
[5] “Creep” von Radiohead enthält Teile der Melodie von “The Air That I Breathe”. Radiohead-Mann Thom Yorke zufolge war dies nicht beabsichtigt, doch werden nun jeweils auch Hammond und der Texter Mike Hazlewood (m.E. der beste Partner, den Albert jemals hatte) als Mitverfasser von “Creep” angegeben.
[6] Ganz entsprechend der ersten Strophe von “One Moment In Time” (Hammond/Bettis): “Each day I live / I want to be / a day to give / the best of me. / I’m only one / but not alone / my finest day / is yet unknown.”

Meysterfeyer

By , 21/12/2012 05:39

Das kleine (und weiterhin feine) Lied mit der Luftaufsichtsbaracke kannte ich natürlich schon lange, als ich dessen Texter, Komponisten und Sänger zum ersten Mal auftreten sah: an einem Samstagabend im Januar 1997, bei “Wetten, dass..?”, mit “Lilienthals Traum”. Eigentlich unvorstellbar: Es ist Showtime – und ein schmächtiger, grauhaariger Mann singt live, ohne äussere Showeffekte und in deutscher Sprache ein beinahe achtminütiges, textlastiges, symphonisches Heldenepos über einen Flugpionier aus dem 19. Jahrhundert. Damit, mit dem Lied und dem grossartigen, wie aus der Zeit gefallenen Vortrag, hatte er mich im Sack – ein für allemal: Es sollte der Beginn sein einer bis zum heutigen Tag anhaltenden Freude an den Beobachtungen, dem Sprachvermögen, der Dichtkunst, den Melodien des Liederdrechslers Reinhard Mey.

Sein phänomenales Werk ist eine bunte Mischung von Liedern zu, fast, allem Erdenklichen. Da wechseln sich munter ab: Geschichten und Gedanken über und für seine Kinder (in all deren Lebensphasen); die präzise Darstellung von Figuren, Ereignissen, Entdeckungen in der nahen und fernen Geschichte; philosophische Betrachtungen über Alltägliches, aber auch über das ganz Grosse (oftmals kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-Auch); meist kitschfreie Oden an seine Frau Gemahlin, die Liebe per se, die Musik, seine grosse Sehnsucht (und das spätere Hobby): das Fliegen; mal lockerflockige, mal beissende Gesellschaftskritik; Erinnerungen an die eigene Kindheit und Jugend; augenzwinkernde Selbstbetrachtungen; Reflexionen über Vergänglichkeit und Tod; immer wieder sein Berlin – und vieles mehr.

In den über vierzig Jahren seiner Liedermacherei sind noch und nöcher hinreissende Werke in deutscher, französischer, niederländischer Sprache entstanden, die mich begeistern – und ist der Name Mey zu einer festen “Marke” in der Musikbranche geworden: Die Alben, die er weiterhin im Zwei- bis Drei-Jahres-Takt aufnimmt und veröffentlicht (letzteres immer, natürlich, im namensverwandten Monat Mai), verkaufen sich, fast ohne Werbung, hervorragend, die sich daran anschliessenden Tourneen – gut sechzig lange Abende am Stück, an denen er, schmächtiger, grauhaariger Mann, ohne äussere Showeffekte und nur von seiner Gitarre begleitet, die Lieder, neue wie alte, auf das Wesentliche reduziert – sind, ebenso zurückhaltend beworben, in der Regel ausverkauft.

Und ein Ende ist nicht in Sicht: Im kommenden Frühling wird Mey bei seiner Plattenfirma ein weiteres Mal ein frisch aufgenommenes, fixfertig abgemischtes und gemastertes Album einreichen, das dann, ganz und gar unverändert, am 3. Mai in den Handel kommt (eine solche Verfügungsgewalt über das eigene Werk ist fast beispiellos in der Branche). Die neue Produktion soll “Dann mach’s gut” heissen.

“Dann mach’s gut!” – das wünsche auch ich: Reinhard Mey zum heutigen Siebzigsten. Mögen noch viele weitere folgen!

Zum Einstieg seien an dieser Stelle die folgenden Alben empfohlen: “Mein achtel Lorbeerblatt” (1972), “Wie vor Jahr und Tag” (1974), “Farben” (1990), “Flaschenpost” (1998) und der Kinderlieder-Sampler “Mein Apfelbäumchen” (1989).

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