Schreiben und schreiben lassen
Kurz vor Beginn des Kirchgemeinde-Praktikums noch rasch eine Seminararbeit über eine Predigt des grossen (und sich gerne prononciert-absolutistisch äussernden) Karl Barth zu verfassen, war vielleicht doch keine so gute Idee. [1] Denn wenn, wie dieser schreibt, menschliche Befindlichkeiten in der Predigt nichts zu suchen haben und Theologen (und wahrscheinlich also auch angehende Theologen) stattdessen ausschliesslich von Gott reden sollen, was wir aber nicht können – dann kommt der Praktikant, der sich im Pfarrer-Handwerk versuchen möchte und sich sowieso schon viel zu viele Gedanken macht, an den Anschlag… [2]
So geschehen wenige Tage nach Neujahr, nachdem die denkbar beste aller Praktikumsleiterinnen und ich entschieden hatten, dass ich einen ganzen Gottesdienst allein gestalten und folglich auch eine Predigt schreiben würde: meine erste.
Also: die Perikopenordnung konsultiert, den vorgeschlagenen Predigttext von allen Seiten begutachtet und durchdacht, parallel dazu zwei, drei Kommentare gewälzt, endlich mit dem Schreiben begonnen – aber, dank Barth (und eigenen perfektionistischen Anwandlungen), mit leicht angezogener Handbremse. Man will ja nichts falsch machen, nicht? Dass mir eine künstlerisch versierte Praktikerin mit dem Hinweis Mut machen wollte, ich solle das Predigtschreiben doch einfach so entspannt angehen wie das Malen eines Bildes, hat nicht geholfen – im Gegenteil.
Die Predigt drohte eine Zangengeburt zu werden – bis ich eines späten Abends, nicht mehr ganz wach und noch nicht ganz schlafend, die langersehnte Eingebung hatte. Nun war urplötzlich, und völlig unerwartet, “alles” ganz “klar”! Also sofort aufgestanden, ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber geschnappt und die Idee für den nächsten Tag festgehalten. Damit standen Aufbau und innere Logik der Predigt. Und beides habe ich nicht mehr gross verändert – wenigstens da mit Sicherheit, wo ich meine sich vor Enthusiasmus überschlagende Schrift noch entziffern konnte.
Ich mache mir nichts vor: Am Ende wird eine gute, aber sicher keine grosse Predigt stehen. Dazu fehlt es mir noch an homiletischer Erfahrung und Sicherheit und an liturgischer Präsenz. Aber den Entstehungsprozess einer Predigt so intensiv und mit dieser überraschenden Wendung zu erleben, ist doch schon mehr, als ich erwarten durfte – da bleibt mir eigentlich nur noch, den Gottesdienst am Sonntag zu geniessen.
[1] Ich habe Barths Predigt vom 10.12.1933 untersucht (die Predigt wurde u.a., noch im selben Jahr, in der fünften Nummer der Zeitschrift “Theologische Existenz heute” abgedruckt; Thema und Überschrift: “Die Kirche Jesu Christi”).
[2] Zur Klarstellung: Ich mag Barth, bzw. das, was ich von ihm kenne und verstehe, sehr. Sein Ansatz ist meiner Meinung nach ein willkommenes Korrektiv für Pfarrerinnen und Pfarrer, die zu erfahrungsschwerem Kanzelsprech neigen – aber er ist eben doch auch brutal.