…denn “amoi gengan alle Türln zua”

By , 21/06/2012 12:10

Dass man sich auch in jungen Jahren mit dem Tod auseinandersetzt, war für mich immer selbstverständlich. Deshalb bin ich jeweils überrascht, wenn Gleichaltrige, aber auch Ältere als ich, eines Tages urplötzlich, Knall auf Fall, realisieren, dass auch sie einmal gehen müssen. Das Leben ist ohne Freund Hein, den gehassliebten, hassgeliebten Sensenmann, doch gar nicht denkbar!

Der österreichische Dichter und Liedermacher Georg Danzer hätte mir vermutlich zugestimmt. Schon als 29-Jähriger stellte er sich das eigene Sterben und den Verdruss darüber in einem hinreissenden kleinen Lied vor, in schönster Wiener Mundart:

Des kaun do no ned ollas gwes’n sein

Des kaun do no ned ollas gwes’n sein,
da war do no was, des wass i ganz genau.
Z’erst kummst auf die Welt,
und dann sollst wieder geh’ –
grad dann, wannst glaubst,
es fangt erst ollas au.

Des kaun do no ned ollas gwes’n sein,
na, na, des kaun i afoch ned glaubn.
Oder sollt’ i vielleicht,
oder sollt’ i vielleicht
zum Leb’n vergessn hab’n?

(Text und Musik: Georg Danzer, Rechte: Edition Giraffe, Wien; zu finden auf dem Album “Ollas leiwand” [ugs. “alles super”] aus dem Jahr 1975)

Vielleicht auch aus diesem Geist heraus, im Wissen um die eigene Endlichkeit, veröffentlichte Georg Danzer in den vier Jahrzehnten seines Schaffens Album um Album, über weite Strecken im Jahrestakt. Sein Werk auf einen Nenner zu bringen, scheint mir dabei unmöglich. Jedenfalls ist es nicht recht, ihn auf den lustigen Austropop-Schurli zu reduzieren, als der er oft gesehen wird: Im Laufe der Zeit hat er dermassen vieles besungen, in so verschiedenen Facetten und Farben, mal so zart wie überhaupt nur möglich, mal mit hintergründigem Humor, mal kraftmeierisch und derb… Längst nicht jedes Lied gefällt mir, oder zumindest nicht zu jeder Zeit – aber im Bereich des Persönlichen, das Existenzielle Betreffenden, manchmal nahe an der Schmerzgrenze, ist Danzer für mich unschlagbar. [1]

Die bittersüsssaure Ironie des Schicksals war es auch: Als Danzer den Titel “A letztes Liad” veröffentlichte, wollte der Schreiber/Sänger damit lediglich seine neueste Platte ausklingen lassen. Doch es kam anders: Das “letzte Lied” wurde sein allerletztes, finales – “i muass jetzt geh, s’tuat ma lad, es war scheh!” [2]

Heute vor fünf Jahren, am 21.6.2007, ist Georg Danzer verstorben.

Um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: “zum Leb’n vergess’n”, oder hat das stetige Todes-Gedenken geholfen, das Dasein bewusst auszufüllen? “Ehrlich gesagt, ich habe so viel vom Leben gekriegt, dass ich es nicht adäquat finde, mehr zu verlangen.” [3]

Ich bin dankbar, Danzer wenigstens einmal live erlebt zu haben: am 26.7.2003 im Rahmen von “Live at Sunset” im Hof des Landesmuseums Zürich (hier gibt es Fotos), als ein Drittel von Austria 3, mit seinen Spezis Wolfgang Ambros und Rainhard Fendrich. Einen anderen, wenn auch postumen Auftritt habe ich ihm verschafft: in Fussnote 8 einer Ethik-Proseminarbeit.

[1] Ich denke hier an Lieder wie “Der Tschik”, “Lass mi amoi no d’Sunn aufgeh’ segn”, “Die Freiheit”, “Stau auf da Tangenten” oder “Sie”.
[2] Aus: “A letztes Liad”, Text und Musik: Georg Danzer, Rechte: Edition Giraffe, Wien; zu finden auf dem Album “Träumer” aus dem Jahr 2006. Auch die Titelzeile dieses Eintrags ist diesem Lied entnommen:
“Amoi kommt die letzte Überfuhr,
amoi hat a jeder Trottel gnua,
amoi gengan alle Türln zua,
und ma is a klana Bua,
hat nix zum Verliern.”

Auch wenn das Album mehrere Lieder enthält, die ums Sterben, den Abschied, den Tod kreisen: Danzer wusste zur Zeit der Aufnahmen noch nichts von seiner schweren Krankheit. Das Thema “Leben” beschäftigte ihn tatsächlich einfach sehr.

[3] Zitiert aus dem (viel zu kurzen) Interviewbuch “Jetzt oder nie”, Georg Danzer im Gespräch mit Christian Seiler, Amalthea Signum Verlag, Wien 2006, S. 119.

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