Auf dem Holzweg – zu Karfreitag

By , 06/04/2012 01:56

Über das Weihnachtsereignis kann jeder, aber auch wirklich jeder schreiben. Christkind, Friede auf Erden (und den Menschen ein Wohlgefallen), Lieder aus, eigentlich, längst vergangenen Tagen – es gibt kaum eine Menschenseele, die von Weihnachten nicht auf die eine oder andere Weise angesprochen und berührt ist.

Bei Karfreitag und Ostern liegen die Dinge ein wenig anders. Sperrig ist die Botschaft, missverständlich (und umstritten) der Sündenbegriff, schwer nachvollziehbar die Notwendigkeit des Sühnetods, unangenehm die Gewalt – und dann erst: Auferstehung von den Toten? Schwierig. Auch ich, das gebe ich unumwunden zu, arbeite mich daran noch ab, in der Hoffnung, irgendwann in eigenen Worten davon schreiben und reden zu können, was Karfreitag und Ostern für mich, für Sie, für uns bedeuten können. Bis es so weit ist, überlasse ich das Feld denjenigen, die hierin erwiesenermassen kompetenter sind.

Der Theologe, Pfarrer und Dichter Lothar Zenetti ist, daran besteht kein Zweifel, solch ein Mann. Er stellt in seinem aktuellen Gedichtband, “Auf Seiner Spur”, den ich nur empfehlen kann, einen ganz besonderen inneren (oder äusseren?) Zusammenhang in der Lebensgeschichte Jesu dar, der das zarte Weihnachten mit dem ruppigen Karfreitags-Geschehen verbindet – und er tut dies noch dazu mit wohltuender Leichtigkeit:

Der Holzweg

Zugegeben,
wir sind auf dem
Holzweg,
wenn wir ihm folgen.

Auf diesem mühsamen Weg
vom Holz der Krippe
im ärmlichen Stall
zum Holz des Kreuzes,
dem Marterpfahl,
an dem er litt.

Dazwischen
der harte Alltag des
Zimmermanns: Holz,
Balken und Latten ringsum.
Bretter, die die Welt
bedeuten. Das war
seine Welt. Holzgeruch
über Jahre hin.

Und nun also ich:
mit dem Brett
vor dem Kopf und dem
Balken im Auge.
Und ich (lacht nur),
ich will ihm nachgehn.

(aus: Lothar Zenetti: Auf Seiner Spur. Texte gläubiger Zuversicht, © Matthias-Grünewald-Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildern 2011, S. 108 – unter der ISBN 978-3-7867-2878-8 zu einem Preis von Euro 14,90 im Buchhandel oder direkt beim Verlag erhältlich.)

Es ist ein kleines, ein zaghaftes, ein “minderwertiges” Nachgehen, natürlich, mit beschränkten, halt eben menschlichen, Möglichkeiten – am Holzstock gewissermassen. Aber kommt es am Ende nicht auf den Willen an?

Ihnen allen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich einen besinnlichen Karfreitag.

An dieser Stelle möchte ich dem Matthias-Grünewald-Verlag (zu dem, wenn ich das so sagen darf, das Holz-Motiv ganz gut passt) ein Kränzchen winden. Am Dienstag, 3.4., hatte ich dort um 13.31 Uhr angefragt, ob sie mir das Wiedergaberecht für obenstehendes Gedicht erteilen würden – bereits 19 Minuten später lag die Genehmigung vor. Herzlichen Dank für beides: Genehmigung und Tempo!

One Response to “Auf dem Holzweg – zu Karfreitag”

  1. Hans Hänni says:

    Sehr eindrücklich, lieber Reto, deine und Zenettis Worte! Ein wunderbares, tiefsinniges Gedicht! Du sprichst mir aus dem Herzen und ich danke dir für deine Offenheit. Ich selbst tue mich auch noch schwer mit Karfreitag und habe ebenfalls versucht, dies in Worte zu fassen, wenn auch viel weniger gekonnt:

    Jesus Chistus
    Bitte Gott für mich,
    dass ich dein unfassbares Leiden
    und deinen Tod am Kreuz
    als für mein Heil notwendig annehmen
    und daran glauben kann,
    auch wenn mein Geist nicht ausreicht,
    sie zu verstehen.

    Jesus Christus
    dafür danke ich dir.

    Am Karfreitag haben meine Frau und ich im KKL eine äusserst eindrückliche Aufführung von J.S. Bachs Johannespassion mit erleben dürfen. Ich habe dieses Werk und auch die Matthäuspassion schon oft gehört, aber diese Aufführung hat an Tiefgründigkeit und Spiritualität alles Bisherige übertroffen und uns die ganze Leidensgeschichte Jesu auf unnachahmliche Weise mit erleben lassen. Der weltbekannte Tenor Christoph Prégardien hat nicht nur dirigiert, sondern auch den sehr anspruchsvollen Part des Evangelisten gesungen – und das alles auswendig und in grösster Bescheidenheit! Er hat sich auch – entgegen dem heute üblichen Gehetze auf Konzertbühhnen – nicht gescheut, entsprechend dem Text Teile ganz langsam singen zu lassen und gar dazwischen kurze Pausen einzulegen. Am Schluss herrschte gut zwei Minuten Stille – auch das noch nie erlebt, da es sonst immer Leute gibt, die meinen, schon mit dem letzten Ton als erste applaudieren zu müssen. Für mich war diese Aufführung ein eindrücklicher Karfreitagsgottesdienst…

    Mit herzlichem Gruss

    Hans

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