Mission Kirchenaustritt

By , 26/01/2012 06:38

Jeder Kirchenpfleger und jede Pfarrerin, jede Kirchenpflegerin und jeder Pfarrer bekommt von Amtes wegen die Kirchenaustrittsschreiben aus der eigenen Gemeinde zu lesen. Dass viele dieser Briefe nicht persönlich verfasst, sondern von entsprechenden Portalen heruntergeladen werden (die sich dafür teilweise fürstlich entschädigen lassen), ist allseits bekannt. Um die Herkunft der Schreiben soll es hier aber nicht gehen.

Es ist eine andere Beobachtung, die ich thematisieren möchte – eine Beobachtung, die sich auf den Ton der Austrittsschreiben bezieht: Ich habe den Eindruck, dass viele dieser Schreiben, nicht nur die downloadbaren Formulare der bekannten Kirchen- und Religionsgegner, erstaunlich aggressiv formuliert sind, und dies in zunehmendem Masse. Beispiel gefällig? Immer häufiger wird der Adressatin, der Kirchgemeinde (in meinem Falle: Bubikon), überheblich-belehrend klargemacht, dass der Austrittswunsch gefälligst zu akzeptieren sei und jegliche Missionsversuche zu unterbleiben hätten. Als ob dies, beides!, nicht selbstverständlich wäre.

Nun meine Frage: Täuscht mich meine Wahrnehmung? Oder teilen Sie, die Sie vielleicht auch in kirchlichen Behörden aktiv sind, diese Beobachtung? Und davon ausgehend: Wenn Letzteres der Fall sein sollte – woher kommt diese Aggressivität? Neigt die Kirche, die ich selbst als sehr zurückhaltend wahrnehme, tatsächlich dazu, Menschen zu umklammern und Austrittswillige als unmündige Missionsobjekte zu sehen? (Ich kann das nicht glauben.) Oder tut sie dies vor allem in der Vorstellung zahlreicher Austrittswilliger, welche die Kirche kaum von innen kennen? Oder ist es einfach so, dass der Austritt leichter fällt, wenn der Kirche, bewusst oder unbewusst, ein (inexistentes) Fehlverhalten unterstellt wird? Oder…?

Ich weiss es nicht. Jedenfalls möchte ich an dieser Stelle für einen Abschied in Anstand und Entspanntheit (beiderseits!) plädieren – wenn es denn schon zu einem Austritt kommen muss.

5 Responses to “Mission Kirchenaustritt”

  1. Werner Näf says:

    Wie die Austrittschreiben formuliert sind, weiss ich aktuell nicht. Aber wie die Kommunikation bei einem Austritt sein könnte, darüber habe ich mal nachgedacht: http://kirche-kommuniziert.blogspot.com/2010/04/frohlich-ausgetreten-werden.html

  2. Das Kirchenaustrittsformular bei http://www.frei-denken.ch/de/dienstleistungen/wegleitungen/kirchenaustritt/ ist gratis ladbar.

    Beim verlinkten Artikel wird gesagt (daselbst konnte ich nicht kommentieren): «Es ist uns kein Fall bekannt, wo ein korrekt formulierter und an die richtige Kirchenstelle gesandter Austrittsbrief bei der Kirche ‚verloren gegangen‘ ist.» Bei mir nachfragen, mir sind mehrere solcher Fälle bekannt.

    Dass sich Austretende auch bisweilen etwas klarer zu ihren Beweggründen äussern, mag für viele evangelische Landeskirchler nicht allzu verständlich sein. Vielleicht projizieren die Austretenden da Schauermärchen von primär katholischem Gebaren auch auf die in dieser Hinsicht wohl etwas anständigere evangelische Kirche.

    Dass klar formuliert wird, dass man kein Gespräch wünsche, ist für mich verständlich. Das Bistum Sitten beispielsweise sieht es in seinen Leitlinien explizit vor, dass sich der Priester um ein Gespräch bemühen solle. Uns (Freidenker Wallis) sind auch Fälle bekannt, in denen eine extreme Verzögerungstaktik und/oder Schlamperei seitens der Pfarreien betrieben wird.

    Zudem: Der Bischof von Sitten will seine Schäfchen einfach nicht ziehen lassen http://wallis.frei-denken.ch/?p=2296 und [Achtung: Weisungen für den Kirchenaustritt vom Bistum Sitten angepasst] http://www.infosperber.ch/FreiheitRecht/Bischof-baut-Hurden-gegen-Kirchenaustritte [Infosperber: Bischof baut Hürden gegen Kirchenaustritte] http://wallis.frei-denken.ch/?p=2333 [Unser offene Brief an das Bistum Sitten]

    Und es werden noch immer Formulierungen wie «Es ist unsere Hoffnung und unser Gebet, dass dieser Moment der Verwirrung nicht von Dauer ist.» in der Austrittsbestätigung gewählt. Sehr schön! http://www.abgott.ch/misc/?p=10 [Mein Kirchenaustritt, Valentin Abgottspon]

    • Reto Studer says:

      Lieber Herr Abgottspon

      Gegen eine Begründung für einen Austritt habe ich nichts, im Gegenteil: Jedes Behördenmitglied sollte dankbar sein für eine Rückmeldung, die über die reine Austrittsinformation hinausgeht und, wie ich finde, gerne auch direkt und unverblümt sein darf.

      Was mich ärgert, ist ausschliesslich der anklagende Unterton, welcher der Kirche (bzw. der entsprechenden Kirchgemeinde) a priori unterstellt, einen Austrittsentscheid nicht zu akzeptieren und stattdessen auf den letzten Metern eine unerbärmliche Missionsmaschinerie in Gang zu setzen – interessanterweise auch und insbesondere von Menschen geäussert, welche die Ortsgemeinde und ihre Exponenten nie kennengelernt haben.

      Die Beispiele für kirchliches Fehlverhalten in diesem Zusammenhang, die Sie nennen, schätze ich, sofern sie sich tatsächlich so abgespielt haben, ähnlich ein wie Sie: Hier zeigt sich in der Tat ein bestenfalls ungeschickter, schlimmstenfalls respektloser Umgang mit Austretenden – beides läuft letztlich auf dasselbe hinaus, ist nicht akzeptabel und ändert gewiss nichts am Entscheid einer Person, aus der Kirche auszutreten! Ob darin nicht vielleicht das explizit katholische Kirchenverständnis zum Ausdruck kommt? Würde es nicht besser machen – aber erklären, weshalb ich als aus reformierter Sicht Argumentierender fairerweise nicht darauf eingehe.

      Also: Jedermann muss aus der reformierten Kirche austreten können und dürfen, und dies ohne bürokratische Hürden. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit – wo dies noch nicht der Fall ist, muss sich das ändern. Den Anstand, der darin zum Ausdruck kommt, erwarte ich aber auch von der “Gegen”-Seite.

      Herzliche Grüsse,
      Reto Studer

  3. Stephan Jost says:

    Bei uns im Kanton Friburg läuft der Austritt gemäss Artikel 5 “Austritt” der Kirchenordnung der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Freiburg:

    1. Wer seinen Austritt erklären will, hat dies dem Kirchgemeinderat schriftlich mitzuteilen. Er erhält innert 20 Tagen ein Formular für die Austrittserklärung und ein Dokument der Kantonalkirche, das die Folgen des Austritts erläutert. Ausserdem bietet der Kirchgemeinderat der betreffenden Person die Möglichkeit zu einem Gespräch mit einem seiner Mitglieder, einer Amtsträgerin oder einem Amtsträger.
    2. Der Austritt wird mit der Rücksendung des unterzeichneten Formulars mittels eingeschriebenem Brief an den Kirchgemeinderat rückwirkend auf das Datum der ersten Willenserklärung wirksam. Wenn das Formular nicht innert 30 Tagen nach Erhalt zurückgesandt wird, gilt das Datum der Rücksendung als Austrittsdatum. Mit dem Austritt erlöschen die Rechte und Pflichten, die sich aus der Zugehörigkeit zur Kirchgemeinde und der Mitgliedschaft in der Evangelischreformierten Kirche des Kantons Freiburg ergeben.
    3. Der Kirchgemeinderat bestätigt den erfolgten Austritt schriftlich.

    Wenn uns Austretende bereits im ersten Schreiben mitteilen, dass sie auf das Gesprächangebot verzichten, dann sehe ich das weniger als Belehrung denn als Entlastung für beide Seiten. Offenbar sehen auch viele andere Kirchenordnungen die Kontaktaufnahme ausdrücklich im Ablauf vor, Artikel 24 “Austritt” der Kirchenordnung der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St.Gallen:

    1. Wer aus der evangelisch-reformierten Kirche austreten will, hat eine schriftliche Erklärung mit amtlich beglaubigter Unterschrift bei der Kirchenvorsteherschaft der Wohngemeinde einzureichen.
    2. Ein Pfarrer oder ein Mitglied der Kirchenvorsteherschaft sucht mit dem Austretenden Rücksprache zu nehmen.
    3. Der Austretende hat die Kirchensteuer bis zum Ende des Monats zu entrichten, in welchem er den Austritt ordnungsgemäss erklärt hat.

    Abgesehen von der Rücksprache ist hier allerdings alles wieder anders, und die Katholiken regeln das wohl wieder anders.

    Kurz gesagt: die meisten Austretenden sind ziemlich im Ungewissen, was sie nach dem Absenden des Austrittsbriefes erwartet. Dementsprechend liegen die Austrittsbriefe gelegentlich etwas quer zum Empfinden des Kirchenrats. Die Austretenden als Schuldige zu sehen halte ich aber für falsch. Man sollte da eher selbstkritisch an die Vielfalt von Verfahren und Regeln denken, welche es für den Austritt in der Schweiz gibt. Wenn Austretende an einer Hürde straucheln, dann sollte man sie nicht als Schuldige sehen, sondern grosszügig Verständnis haben, ihren Austrittswunsch achten und sich nicht an Spitzfindigkeiten eines suboptimal erscheinenden Austrittsbriefes stossen.

    • Janette says:

      @Stephan: Genau, so ging es mir vor meinem Austritt, ich wusste nicht genau wie, oder ehrlich gesagt ich wusste überhaupt nicht wie. Im Wallis sei das eben ganz speziell, hörte man so vom sagen. Ich liess es dann von http://www.austritt.ch erledigen, hat reibungslos geklappt. Klar, kostet etwas, aber als ich das ganze Prozedere gesehen hatte, musste ich doch sagen der Preis ist allemal fair.

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