Fraktiönligeist im Rathaus

By , 21/09/2011 12:32

In der Medienmitteilung über die konstituierende Synodalsitzung von gestern ist mir ein kleiner Nebensatz besonders aufgefallen: Offenbar konnten es sich einzelne Synodale nicht verkneifen, dafür zu votieren, “dass die Kandidatinnen und Kandidaten vor den Wahlen ein persönliches Profil abgeben sollten, wenn man sich nicht schon vorher für die Fraktionszugehörigkeit entscheiden müsse”.

Ein kleiner, aber nicht unwichtiger Nebensatz, den ich kommentieren möchte, als ehemaliger Kandidat wie auch als Stimmbürger: Ich kenne die Forderung nach einer Absichtserklärung zur Fraktionswahl – sie ist weiter verbreitet, als es in der Medienmitteilung den Eindruck macht. Auch mir gegenüber haben mehrere Alteingesessene im Zuge meiner Kandidatur gesagt (und dies durchaus verständnislos-stämpfelnd), ich solle mich outen, also entscheiden und kommunizieren, welcher Fraktion ich, sollte ich gewählt werden, beizutreten gedenke. Diese Forderung ist ist im Grunde nicht unberechtigt. Als Stimmbürger möchte ich ja wissen, wen ich in die Synode wähle.

Die Neo-Synodalen dürfen den Ball meiner Meinung nach aber guten Gewissens an die Fraktionen zurückspielen. Schaffen es die Fraktionen denn, sich ausserhalb der Synode, in der weiteren Kirchenlandschaft – bei Kandidierenden wie Stimmbürgern –, bekannt zu machen? Versuchen sie es überhaupt? Meine Antwort ist in beiden Fällen ein bestimmtes Nein.

Auf welcher Grundlage soll man sich dann aber als Neu-Kandidierender, der den Synodalbetrieb nicht kennt, für die passende Fraktion entscheiden können? Und was mache ich als durchschnittlich interessierter Stimmbürger mit Fraktionsangaben, die mir – ja: auch mir! – selbst nach einer Online-Recherche herzlich wenig sagen?

Klar, es gibt für beide, Kandidat wie Stimmbürger, die Möglichkeit, im Vorfeld der Wahl per E-Mail Erkundungen bei den verantwortlichen Personen einzuholen. Just dies habe ich als damaliger Kandidat denn auch getan: Ich erbat bei den vier Fraktionspräsidenten Informationen zu den von ihnen angeführten Fraktionen – und erhielt beinahe ausschliesslich nichtssagende Auskünfte im typischen “Kirchensprech”. Auf meine Frage nach konkreten Anliegen, die von den jeweiligen Fraktionen im Laufe der vergangenen Legislaturperiode in die Synode eingebracht wurden und allenfalls durchgesetzt werden konnten, wurde nicht eingegangen. Als löbliche Ausnahme ist Pfr. Matthias Reuter, der Präsident der religiös-sozialen Fraktion, zu nennen, mit dem ich einen interessanten E-Mail-Austausch hatte.

Die Situation ist also die folgende: Bei den Fraktionen handelt es sich im Grunde um innersynodale Arbeitsgrüppli, die weder ausserhalb des Kirchenparlaments bekannt sind noch sich im Austausch mit potentiellen Mitgliedern auskunftsfreudig zeigen. Eine offene Berichterstattung seitens der Fraktionen über die Legislatur-Arbeit gibt es nicht – von keinem einzigen Kandidaten habe ich einen differenzierten Rückblick über dessen Arbeit in der Synode gelesen.

Während Altgediente sich also nicht rechtfertigen müssen, sollen sich neu Kandidierende für eine der vier Black-Box-Gruppierungen (oder ein “Profil”) entscheiden, bevor sie deren Arbeit überhaupt kennen. Und die Stimmbürger sollen dann anhand nichtssagender Absichtserklärungen eine Fraktion und also deren Kandidaten einschätzen können?

Wenn es wirklich ein Anliegen der Synode sein sollte, von der Personenwahl wegzukommen – wer am meisten Leute in seinem erweiterten Bekanntenkreis mobilisieren und allenfalls den Zusatz “bisher” hinter seinem Namen zu Markte tragen konnte, wurde bisher in der Regel gewählt -, dann wäre es an den einzelnen Synodalen, den Fraktionen und allenfalls sich daraus ergebenden aussersynodalen Gruppierungen, sich der Kirchenöffentlichkeit zu stellen: mit Podien und regelmässigen, online verfügbaren Berichten aus dem Tagesgeschäft – und mit Informationen zu den Fraktionen, die wirklich etwas aussagen. Deren Bezeichnungen allein reichen sicher nicht aus: Was genau soll sich ein theologischer Laie vorstellen unter religiös-sozial (“sind wir nicht alle sozial?”), evangelisch-kirchlich (“sind wir nicht alle evangelisch und in der Kirche?”), liberal (“sind wir Reformierten nicht sowieso liberal?”) und, hier ist auch jeder theologisch Gebildete ratlos, Synodalverein?

Nicht falsch verstehen: Diese Bezeichnungen mögen alle ihre Geschichte und ihre Berechtigung haben. Es ist aber an den einzelnen Fraktionen, sich in der breiteren Kirchenlandschaft bekannt zu machen, bevor sie Forderungen an Neo-Synodale stellen.

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