Wie die kirchlichen Kursangebote ausschliessen

By , 27/05/2011 17:32

Immer wieder ist die Rede davon, dass die Kirche überaltert und “verweiblicht” sei, vor allem im Bereich der Diakonie und der Pädagogik, und dass dies Auswirkungen habe auf das Programm und entsprechend die Beteiligung von Jungen und Männern an kirchlichen Angeboten. Diese Einschätzung teile ich, und ebenso bin ich der Ansicht, dass diese Tatsache, die sich in Zukunft noch verstärken dürfte, fatal ist.

Nun kann man der jüngeren Generation und den Männern vorhalten, dass zunächst sie selbst es sind, die daran etwas ändern könnten – zurecht, denn Junge ziehen Junge an, Männer ziehen Männer an, also müssen halt “nur” ein paar Junge und ein paar Männer den Anfang machen und die Kirche so gestalten, dass sie ihnen zusagt (wobei ich mir bewusst bin, dass dies eine pauschale Aussage ist). Ebenso richtig ist es, dass weder Junge noch Männer explizit vom kirchlichen Engagement ausgeschlossen sind.

Dass sie es implizit (oder “strukturell”) sind, zeigt das neue “Kursbuch für Kirchgemeinden”, das diese Woche an Mitarbeiter und Behördenmitglieder der Zürcher Landeskirche versandt wurde. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, diejenigen Kursangebote herauszusuchen, welche in den weiblich dominierten Handlungsfeldern “Diakonie und Seelsorge” sowie “Bildung und Spiritualität” angeboten werden, sich explizit an Freiwillige und/oder Inhaber von Niedrigpensen richten – und tagsüber und unter der Woche stattfinden:

Diakonie und Seelsorge
Menschen mit Demenz begegnen: ein ganzer Donnerstag, 9.00-16.00
Besuchsdienst-Tagung: ein Dienstag, Montag oder Mittwoch, 9.00-16.00
Einführungsdienst für den Besuchsdienst: vier Mittwochnachmittage, 14.00-17.00
Reden, zuhören, verstehen: drei Donnerstagmorgen, 9.00-12.00
Mitgefühl als Kraftquelle: ein Dienstag, 9.00-17.00
Lebensspuren entdecken: drei Montagmorgen, 9.00-12.00
Kreatives Schreiben: drei Dienstagmorgen, 9.00-12.00
Konfliktbewältigung und Vergebung: drei Donnerstagmorgen, 9.00-12.00
Umgang mit versteckten Wünschen und Bedürfnissen: drei Mittwochnachmittage, 14.00-17.00
Fragen – schweigen – antworten: drei Donnerstagmorgen, 9.00-12.00
Abschied und Trauer: zwei Dienstage, 9.00-16.30
Für sich sorgen und für andere da sein: ein Freitag, 9.00-17.00
Die Kunst, Gespräche zu führen, die wirklich helfen: drei Mittwochnachmittage, 14.00-17.00
Spielend Lebensfreude schenken: ein Donnerstag, 9.00-17.00
Seminar für Freiwillige im sozialen Bereich (Jahreskurs): ein bis zwei Halbtage pro Woche

Bildung und Spiritualität
Ausbildung Eltern-Kind-Sing-Leiter/in: vier Freitage/Samstage, 14.15-18.45 bzw. 9.15-16.45
Frischer Wind im Liederblätterwald: ein Montagmorgen, 9.15-11.15
Geschichten erzählen mit dem Kamishibai: ein Mittwochmorgen, 8.30-11.30
Was Eltern-Kind-Singen mit der Kirchgemeinde zu tun hat: ein Mittwochmorgen, 9.15-11.15
Singen und Musizieren (Grundmodul der katechetischen Ausbildung): ein Dienstag, 8.30-16.15, und zwei Dienstagmorgen, 8.30-11.45
Feiern (dito): ein Dienstag, 8.30-16.45, und drei Dienstagmorgen, 8.30-11.45
Theologie (dito): zwei Freitage, 8.30-16.15, drei Freitagmorgen, 8.30-11.45
Entwicklungspsychologie (dito): zwei Dienstage, 8.30-16.15, und zwei Dienstagmorgen, 8.30-11.45
Pädagogik/Didaktik (dito): zwei Dienstage, 8.30-16.15, und fünf Dienstagmorgen, 8.30-11.45
Glaube in Vielfalt – kirchliches Umfeld (dito): ein Freitag, 8.30-16.15, und sechs Freitagmorgen, 8.30-11.45
Methodik (dito): vier Dienstage, 8.30-16.15, und vier Dienstagmorgen, 8.30-11.45
Eltern und Familie im rpg (dito): zwei Freitage, 8.30-16.45
Kirchenjahr (Wahlpflichtmodul der katechetischen Ausbildung): zwei Freitage, 8.30-16.15
Integrative Förderung (dito): zwei Freitage, 8.30-16.15
Symboldidaktik (dito): zwei Freitage, 8.30-16.15
Jugendgottesdienst (dito): zwei Freitage, 8.30-16.15
Theaterpädagogik (dito): zwei Freitage, 8.30-16.15
Liedrepertoire rpg (dito): zwei Freitage, 8.30-16.15
Themen in minichile und 3.-Klass-Unti (Aufbaumodule der katechetischen Ausbildung): jeweils fünf Donnerstage, 8.30-16.15
Themen in Club 5 und JuKi (dito): jeweils fünf Donnerstage, 8.30-16.15
Staunend der Schöpfung begegnen: zwei Donnerstage, 9.00-13.00
So viele Fragen stellt das Leben: ein Freitag, 15.30-19.00
Einführungsnachmittag in die Kampagne 2012 “Brot für alle/Fastenopfer”: ein Mittwochnachmittag, 14.00-17.00
Das rpg wissenschaftlich evaluiert – eine Auswertungstagung: ein Montag, 9.00-17.00
Landart und Schöpfung: ein Dienstagmorgen, 9.00-12.00 Uhr, und ein Dienstagnachmittag, 13.30-17.00

Und nun die Frage: Wie sollen Junge und Männer (die, ob man das gut findet oder nicht, häufiger berufstätig sind als Frauen) von einem solchen Kursangebot – dessen Besuch in manchen Bereichen, z.B. der Katechetik, Voraussetzung ist für ein kirchliches Engagement – profitieren? Müssen sich wirklich Berufstätige nach dem Angebot der Kirche richten? Das Gegenteil wäre richtig.

Die Kirche sollte ihr gemeindliches Ausbildungskonzept dringend überdenken. Und dies möglichst zügig: Mit der (nicht erst seit heute) zunehmenden Berufstätigkeit von Frauen bricht nämlich immer mehr auch die ehedem zuverlässige Basis kirchlichen Engagements weg. Dann ist die Kirche nicht mehr überaltert und “verweiblicht”, sondern überaltert und möglicherweise um einige seriös ausgebildete “Niedrigpensige” und Freiwillige ärmer.

2 Responses to “Wie die kirchlichen Kursangebote ausschliessen”

  1. Gratuliere zum neuen Blog. Habe ihn in die Blogliste der “Willensnation” aufgenommen, damit Deine neuen Posts den dortigen Lesern auch auffallen. Blogmacht entsteht durch Verlinkung. Einen weitern Link, den ich Dir empfehlen kann, um interessierte Leserschaft anzuziehen:
    http://libref.kaywa.ch/

  2. Zum inhalt des Blogposts: Männer sehen – so sie diensttauglich sind – vielleicht noch einmal einen Feldprediger (pardon: Armeesseelsorger) im Militär. Ansonsten ist der im Konkubinat lebende Mann zwischen 25 – 40 der idealtypische Kirchenaustreter.

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